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04.Das Gesicht (Lyrik) - von Evelucas

in

• SHORTSTORIES
17.06.2018 11:23
von Evelucas • 550 Beiträge | 2242 Punkte






Das Gesicht

... schon Eines hat ganz viele ...



Draußen prasselte unablässig Regen auf den Asphalt.

Er lauschte diesem vertrauten Geräusch, stand nur da und starrte in dieses eine Gesicht, um solches all seine Gedanken kreisten.

Was für ein Gesicht!
Feinsinnig und zart. Anmutig gar, vertraut und fremd in Einem. Plastisch, zum Anfassen schön. Blaue Augen. Die ganze Welt schon gesehen. Sie erkannt! Schon tausende Meere verschluckt. Und für alle Zeiten bewahrt.


Was für ein Gesicht!
Nur diese blasse Haut. Welch zerbrechlicher Teint. Karges Elfenbein auf leerträumender Mine. War es jemals wirklich? Lebendig und hier?Strahlend durch Zeit und Raum. Gar hell und doch so betrübt. Von weisen Schatten umflossen. Und fern! Wie ein stiller Traum.


Was für ein Gesicht!
Antlitz eines schweigsamen Engels. Hochgefahren aus der Hölle! Zwischengelandet hier?Für ein Kurzes, Hallo? Wieder abgetaucht in die Tiefe. Steil hinab, in Wolken gefallene Tristesse. In hinterbliebene Herzen gepflanzt. So lange her.


Was für ein Gesicht!
Ist es denn schön? Elfengleich gar? Oder angepasst nur? Entwertet im Glanze heuchlerischer Massen. Von Opfern zerrissen und weinerlich sogar?Gezeichnet in farblose Haut. Geglättet vom Schein. Verworfen im Traum der Erfüllung. Verbittert vielleicht?


Was für ein Gesicht!
Müdigkeit hinter schimmernden Backen. Weder Rosa, noch rund, noch frisch. Unter tiefen Schatten gelegen. Ergebene Lippen. Gebogenen Mundwinkeln gleich. Keine Linie da, geschwungen und seicht. Von unnatürlicher Blässe geschminkt, lebendig pulsierend zugleich.


Was für ein Gesicht!
Pastellen umschwärmt, dieses träge Lächeln. Pulsierend dahinter, versteckte Authentizität. Verborgen hinter einer Maske voll Glück. Verfälscht und entstellt. Welch fügsame Toleranz. Verpfuscht und verschleiert. Ertrunken in analogischen Nebeln. Welch indiskrete Heroin. Eigens erschaffen von Hand, einer verklärten Vollkommenheit.


Was für ein Gesicht!
So sprunghaft, wie launig. Von bleiernen Locken umgarnt. Gar glänzend umkämpft. In geheimer Sprache. Gefangen in anschmiegsamer Dominanz und von lieblichem Wispern. Mild abfallend gleich darunter, welch zart gespitztes Kinn. An dreister Empfindsamkeit kaum zu übertreffen.


Was für ein Gesicht!
Nicht alt, nicht hübsch. Weder jung, noch alterslos. Nicht leer, nicht voll. Weder fröhlich, noch unglücklich. Doch ungerührt und erfahren. Gar nachdenklich heute. Warum? Kaum Lachfältchen da, nicht zart gestimmt, wie sonst. Nur die sorgenvolleren Furchen jetzt. Ruhend zwischen geschwungenen Brauen. Schlank und erhaben. Über zerbrechlich anmutender Nase. Lieblich und hauchvoll gekrümmt.


Was für ein Gesicht!
Gar anders nun. Leicht vorgeschobene Lippe. Sehnsüchtig schimmernd. Von angedeutetem Trotz. Verletzlich, nicht greifbar. Zerbrechlich nur in der Stille. Eingeschworen um zu Schweigen.


Was für ein Gesicht!
Geboren um Leid zu erfahren. Sich anschaulich davor verneigend. Leiblos darüber hinweg zu schweben. Neidlos bewundernd oder, Verwunderung pflanzend? Gedeihend in kühlendem Licht. Um aus zärtlicher Blüte zu schwinden.


Was für ein Gesicht!
Nichts sagend an der Oberfläche. Alles duldend in der Tiefe. Vereinnahmend magische Faszination. So angreifbar, wie zurückweisend. Glimmend im Schatten seiner Selbst. Schmeichelnd der Furcht, erprobt seines Mutes. Verschrammt und verherrlicht im Schein.


Was für ein Gesicht!
Stoische Einsamkeit. Gar trügerisch durchschwommen. Stolz erhoben dies Haupt. Nur um in sich zu brechen? Welch Spiegel ins Jenseits. Kälte in Scherben oder gläserne Stille? Welch Licht kennt es dort? In diesem schöpferischen Schatten des Nichts.


Was für ein Gesicht!
Lebendiger als für den Betrachter zu fassen. Zu wenig geschätzt, als es von ihm ging. Fort, als er dachte, es gehöre ihm.

Noch dachte, sein Leben zu sein. Doch nie wirklich das Seine war.

„Ähm, Verzeihung der Herr...“.
Erschrocken wandte er sich der hager untersetzten Uniform zu, hinter dessen Fassade ein schlurfendes, volles Gesicht unter filigran gesponnenem Gram pulsierte.
„Ja, bitte?!“, er hasste es seine schroffe Stimme zu hören, die sich viel lieber im Schweigen verlor. Eine Stimme, die nicht gewohnt war zu sprechen. Schon lange nicht mehr.
Der Räuspernde verharrte in seiner Uniform.
„Wir schließen jetzt. Sie sollten nach Hause gehen.“
Erst da spürte er, wie fremd ihm sein eigenes Antlitz nun wurde. Wie es in leerer Resignation zusammenfiel. Und er nickte.
„Nachhause...“, murmelte wieder seine von Trauer erbitterte Stimme, die er immer weniger mochte.
Noch einen letzten Blick warf er da, in dieses Gesicht und mitfühlend erwiderte es denselben. Wissend, als wolle es sagen: „Bis Morgen dann“.
Dieses Gesicht an der Wand, hinter Glas und in diesem Rahmen gefangen.
Und er nickte, bis bleierne Schwere ihn aus dem Gebäude trieb.
Kopfschüttelnd murmelte der Nachtwächter hinter ihm her.
„Immer dasselbe. Seit Jahren, Stunde um Stunde. Dieser alte Kauz. Als könne er sie damit wieder lebendig machen, lächerlich.“
Doch suchten auch seine Augen nun dieses unscheinbare Bildnis
„Ich weiß nicht, was er getan hat. Grausam ist allerdings, was du ihm hier tust. Schenkt ihm endlich Frieden.“
Lichtschalter klackten und alles versank in der Finsternis.
Nur der Mond sandte noch seinen silbrigen Strahl und traf ... dieses Gesicht.
Welch blasse Erinnerung. Ins Tal des Vergessens herabgesunken. Schwerelos nur noch im Herzen.
Und ER, kehrte nie wieder.




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zuletzt bearbeitet 01.04.2020 12:33 | nach oben springen


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