wenn ich das richtig erinnere, hat uns Sabine im Mai aufgerufen, an dieser Stelle über unsere Leseinteressen zu berichten. Ich glaube, es ist an der Zeit, mich zu beteiligen.
Vor einigen Monaten habe ich die Schriftstellerin Zsuzsa Bánk entdeckt und lese seitdem alles, was ich von ihr "unter die Finger" bekomme.
"Schlafen werden wir später" lese ich schon zum zweiten Mal. Zwei seit langem befreundete Frauen "begegnen" einander, nehmen den Leser mit in ihren "Alltag". Abwechselnd schildern sie ihre aktuellen Empfindungen und Gedanken. Die Schrifststellerin Márta lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in einer größeren deutschen Stadt. Sie liebt ihre Kinder, aber kämpft täglich um etwas freie Zeit, um an ihren Texten zu arbeiten oder um zu Lesungen zu fahren. Ihr Mann ist ihr keine Hilfe. Johanna ist Lehrerin, lebt kinderlos und ohne Partner im Schwarzwald. Sie schreibt an ihrer Doktorarbeit, kämpft gegen die Erinnerungen an ihre schwere Krebserkrankung, ist noch gefangen in einer länger zurückliegende Liebesbeziehung ...
Ich liebe die Erzählsprache voller Poesie, fast immer im Präsens geschrieben.
Kennt Ihr diese Autorin? Geht es Euch ähnlich wie mir?
W E I H N A C H T E N Wundersamer Farbenreigen Elfen tanzen in den Zweigen Immergrüner Tannenbäume Hoch hinauf in Himmelsräume Nacht für Nacht im Schein der Sterne … Andachtsworte aus der Ferne: Christkind wird geboren werden Hell erklingen hier auf Erden Ton um Ton die heil’ gen Lieder ER kommt auf die Erde nieder Neu erschaffend diese Welt …
Oma Anna ist in Eile. Sie weiß, dass Laura auf sie wartet. Sicher hat sie den Rucksack fertig gepackt, läuft unruhig durch die Wohnung und sehnt sich schon nach ihr. „Hol' Laura bitte ein paar Tage zu dir. Sie soll nicht dabei sein müssen, wenn ihr Vater so kurz vor Weihnachten kommt und seine letzten Sachen abholt“, hat ihre Tochter sie am Telefon gebeten.
Morgens war Anna noch in ihrem Garten gewesen. Das war gut so, denn ihre ordnende Hand wurde gebraucht. Die Laubberge, die sie schützend um die Obstbäume aufgeschüttet hatte, waren vom Nachtwind auseinander geweht worden. Anna holte den Rechen aus dem Schuppen, schob das Laub wieder zusammen und häufelte Erde darüber. Nun wird es der Wind nicht mehr so leicht haben, dachte sie bei sich. Die Regentonne hatte sie schon vor Wochen geleert. Sie stand fest an ihrem Platz. Anna hatte sie mit Steinen gesichert. Das war gut so, sonst hätte der Wind sie heute Nacht durch den ganzen Garten rollen lassen. Beruhigt ging sie näher heran. Doch was war das? Eine kleine rote Blüte blinzelte hinter der Tonne hervor. „Du kannst hier nicht bleiben. Wenn der Frost vor dem Schnee kommt, erfrierst du“, sagte Anna zu ihr. Um die zarten Wurzeln nicht zu verletzen, grub sie die Blume mit ihren bloßen Händen vorsichtig aus, pflanzte sie in einen Tontopf, wickelte ihn in Zeitungspapier ein und nahm die Blume mit zu sich nach Hause. Auf dem Heimweg überlegte Anna, wo das Buch ist, das sie vor vielen Jahre mit ihrer Oma gestaltet hatte. Zu Hause angekommen, zog sie ihren dicken Wintermantel und die Stiefel aus, wusch sich die Hände und ging ins Wohnzimmer zum großen Bücherschrank. Ganz oben - sie musste auf die Leiter steigen - fand Anna das Buch. Mit großen roten Buchstaben hatte sie damals "Weihnachtsblumenbuch" auf den Umschlag geschrieben. Gleich auf der ersten Seite war eine gelbe Blume abgebildet. Sie blätterte weiter und sah dunkelblaue, hellblaue und weiße Blumen. Ihre Erinnerung hatte sie also nicht getäuscht. In dem Buch, das sie vor fünfzig Jahren mit ihrer Oma bemalt hatte, gab es noch keine rote Blume. Laura wird sicher Lust haben, die kleine Blume zu malen, die Anna soeben aus dem Garten mitgebracht hatte.
Laura wird sich über das Blumenbuch genauso freuen wie die kleine Anna vor vielen Jahren. Nebeneinander werden sie am großen Holztisch sitzen, die Farben mischen und die leeren Seiten mit Blumenbildern füllen. In dieser gemeinsamen Zeit werden sie beide Kraft schöpfen und sich wappnen für das, was der Alltag für sie noch bereithalten wird. Falls sie das Buch in den nächsten Tagen fertigstellen, wird Laura es ihrer Mama zu Weihnachten schenken können.
Voller Zuversicht setzt Anna ihren Weg fort, klingelt an der Wohnung ihrer Tochter und holt Laura ab.
Vielen Dank für das Rezept, es klingt wirklich nicht so kompliziert. Sind die Oblaten wirklich so klein: 6mm Durchmesser? Einen schönen Tag wünsche ich Dir, liebe Grüße, Jascha
Ich war ein Berliner, lebte im Volkspark Friedrichshain. Wie viele Jahre ich dort wuchs? - Zähle meine Jahresringe, noch ist die Baumscheibe nicht zerteilt. Das Zentrum der Ringe hat sich von der Mitte in Richtung Peripherie verschoben, sagst du? Erstaunlich, dass du das siehst. Das können doch nur wenige Millimeter sein.
Ich erzähle dir, wie es dazu kam. In meinem ersten Lebensjahrzehnt erging es mir wie den anderen Bäumen im Park. Ich wuchs der Sonne entgegen und hatte genügend Platz, mich gleichmäßig auszubreiten. Eines Tages bemerkte ich, wie sich am Boden ganz in meiner Nähe ein kleiner Erdhaufen heraushob, sich öffnete und einem grünen Keim Platz machte. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit wuchs er zu einem Baum empor. Er sah ganz anders aus, als die Bäume in der Umgebung. Schon nach zwei Jahren reichten die Äste des Neulings bis zu mir hinüber. Die Berührungen waren mir nicht unangenehm. Im Gegenteil, ich genoss die Nähe und ahnte, dass es ihm ebenso erging. Wenn er irgend konnte, schmiegte er seine Äste ganz eng an meine, nutzte jeden noch so zarten Windhauch, um sich mir zu nähern. Ja, das war eine schöne Zeit. Sie hat uns beide geprägt, nicht nur äußerlich.
Vor einigen Monaten entdeckte uns der Förster. Er sah unsere Freundschaft nicht. Mit besorgter Miene lief er mehrere Male um uns herum. Kurz darauf kam er mit zwei Waldarbeitern wieder. Voller Bewunderung schauten sie zu meinem Freund hinauf. Er war wirklich schön anzusehen. Ich hörte, wie sie sagten, er brauche mehr Platz, ich müsse weg. Sie hatten einen Topf mit roter Farbe dabei, tauchten den Pinsel ein und malten einen großen roten Kreis auf meine Rinde. In der darauffolgenden Nacht kam ein mächtiger Sturm auf. Wir schlangen unsere Äste ineinander und hielten uns ganz fest. Ja, wir verknoteten einander regelrecht.
Am Morgen hatten die Waldarbeiter große Mühe, uns voneinander zu trennen und mich dann zu fällen. Als ich am Boden lag, durfte ich noch einige Wochen direkt neben meinem Freund bleiben, um zu trocknen. Ich erlebte, wie weit er nun seine Äste ausbreitete. Er wurde noch viel schöner. Alle Spaziergänger blieben stehen und staunten. Er aber schaute zu mir hinunter und winkte mir mit seinen Ästen zu.
Der Abschied ist uns schwer gefallen. Jetzt bin ich aber hier bei dir. Du wirst die Baumscheibe zerkleinern, und ich werde Euch in der kalten Adventszeit Wärme und Gemütlichkeit schenken. Darüber freue ich mich.
Ich werde die Kekse in diesem Jahr endlich auch wieder einmal backen. Sicher werden wir nicht - wie gewohnt - in großer Runde zusammensitzen können. Gerade deshalb sind die Wunschkekse besonders willkommen.
Falls Du Zeit hast, das Rezept auszuprobieren, so würde ich mich über eine Nachricht freuen, wie es bei den Verwandten bzw. Freunden angekommen ist. Lieben Gruß, Jascha
als Jüdin musste Hilde Domin (eigentlich Hilde Palm geb. Löwenstein) mit ihrem Mann E.W.Palm emigrieren. Italien war 1932 ihre erste Exilstation. 1939 flohen die beiden in letzter Minute über Paris und London nach Kanada und von da aus in die Dominikanische Republik. Nach dem Tod ihrer Mutter begann sie 1951 mit dem Schreiben von Gedichten unter dem Pseudonym Domin, nach dem Namen der Insel, auf der sie Zuflucht gefunden hatte.
1959 - fünf Jahre nach ihrer Rückkehr nach Deutschland - erschien ihr erster Gedichtband "Nur eine Rose als Stütze". 1992 wurde ihr der Hölderlin-Preis verliehen. In einem Interview antwortete sie auf die Frage, wie viel Mut ein Schriftsteller benötige: "Ein Schriftsteller braucht drei Arten von Mut. Den, er selbst zu sein. Den Mut, nichts umzulügen, die Dinge beim Namen zu nennen. Und drittens den, an die Anrufbarkeit der anderen zu glauben."
2004 wurde sie Ehrenbürgerin der Stadt Heidelberg. Die Dominikanische Republik zeichnete sie mit dem höchsten Orden aus, den der Staat zu vergeben hat.
Im Februar 2006 verstarb sie in Heidelberg. Der von ihr selbst gewählte Grabspruch lautet:"Wir setzten den Fuß in die Luft/ und sie trug."
Ein Mandelbaum sein eine kleine Wolke in Kopfhöhe über dem Boden ganz hell einmal im Jahr
Einer im kleinen Stoßtrupp des Frühlings keinem zu Leid als sich selber im Glauben an einen blauen Tag vor Kälte verbrennen
Ein kleiner Mandelbaum sein am Südhang der Pyrenäen oder im Rheintal der bleibt und wächst wo er gepflanzt ist
Aber entlang gehen bei diesem Mandelbaum oder ihn plötzlich sehn wenn der Zug aus dem Tunnel kommt
Lachen und Weinen und die unmögliche Wahl haben und nichts ganz recht tun und nichts ganz verkehrt und vielleicht alles verlieren
Doch mit Ja und Nein und Für-immer-vorbei nicht müde werden sondern dem Wunder leise wie einem Vogel, die Hand hinhalten
In jeder Strophe beschreibt Hilde Domin Situationen, über die ich mich wundere, freue, nachdenke und ahne, was gemeint sein könnte, es aber dann wieder verwerfe, weil es auch ganz anders sein könnte.
Über den Mandelbaum freue ich mich. Gern würde ich einer sein und einmal im Jahr hell erblühen. Warum er sich aber selber Leid bereitet? Ich weiß nicht viel über Bäume, ahne aber, dass hier ein Mensch gemeint sein könnte, der an sich selbst leidet und an einem blauen Tag vor Kälte verbrennt. Was für ein starkes Bild! Es verunsichert mich. Vor Kälte verbrennen … ein Durchdringen gegensätzlicher Empfindungen - und das an einem Tag, an dem der Himmel blau leuchtet?
Die nächste Strophe fängt mich auf, tröstet: Es ist schön am Südhang der Pyrenäen und auch im Rheintal. Der Baum darf bleiben und wachsen. Es ist wundervoll, einen blühenden Mandelbaum anzuschauen, egal, ob ich nahe an ihm vorbeigehe oder ihn plötzlich sehe, während ich im Zug sitzend aus dem Tunnel auftauche.
In den letzten beiden Strophen verlässt Hilde Domin den Mandelbaum, taucht ganz ins menschliche Fühlen, Zweifeln, ja sogar Verzweifeln ein. Weder Lachen noch Weinen scheinen Erlösung zu bringen. Zwischen welchen Dingen ist es unmöglich zu wählen? Da die Wahl unmöglich ist, werde ich nichts richtig, aber auch nichts falsch machen und dennoch alles verlieren?
Ich soll/ muss es doch wagen zu wählen, zu entscheiden zwischen Ja und Nein. Und ich soll es aussprechen und sogar noch verstärken, indem ich weiß, dass etwas Für-immer-vorbei ist. Dabei darf ich nicht ermüden, sondern soll still werden und dem Wunder leise, wie einem Vogel, die Hand hinhalten.
Ist das nicht wundervoll? Ich liebe dieses Gedicht.
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